Samstag, 24. Januar 2009
 
Asylheim Traiskirchen: Ausgesperrt PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Konrad Hofer/MOMENT   
Mittwoch, 30. Januar 2008

Traiskirchen wird wie militärisches Sperrgebiet abgeschirmt. Wie die Securityleute die Menschen bewachen, soll ein Geheimnis bleiben.

”Heute hat ein Wachmann seinen Hund auf ein Kind gehetzt. Das Kind, das im Garten spielte, erschrak, schrie und weinte. Der Wachmann grinste, als er das bellende Tier zurückpfiff.” Diese Episode erzählten zwei Bewohner des Lagers Traiskirchen dem Autor, als er für sein Buch ”Gestrandet. Aus dem Alltag von AsylwerberInnen” (2006) recherchierte. Wachorgane haben bei AsylwerberInnen definitiv keinen guten Ruf.

Was aber denken die Security-Leute, die für gewöhnlich vor Discotheken, in Einkaufstraßen oder als Gebäudeschützer für Ruhe und Ordnung sorgen, wenn sie sich plötzlich in einem Flüchtlingslager mit teils traumatisierten Menschen wiederfinden? Das wolllte ich erkunden, indem ich ein, zwei Tage einen Sicherheitsmann in Traiskirchen begleiten würde. Der erste Anruf beim Betriebsrat der Bewachungsfirma des Lagers war positiv, er sagte seine volle Unterstützung zu. Leider erkrankte der Mann vor unserem Gesprächstermin. Er wies aber vorher noch darauf hin, dass das Innenministerium eine Erlaubnis erteilen müsse.




Auszug aus dem E-mail-Verkehr mit dem Lagerleiter in Traiskirchen, Franz Schabhüttl:

(...) Die Betreuungs- und Erstaufnahmestelle Traiskirchen ist eine exponierte Dienststelle des BMI, deren Profession die Betreuung von Asylwerbern ist. Diese sensible Aufgabe wird unter Zuhilfenahme verschiedener Firmen, Organisationen und einer NGO mit entsprechender Sorgfalt und Feingefühl wahrgenommen. Menschen, die aus verschiedensten Gründen aus allen Teilen der Welt hier eine erste ”Anlaufstation” und eine ”ruhige Insel” im Sturm der Flucht und des Fluchtweges vorfinden, wollen zunächst einmal ”Vertrauen schöpfen”. Diese notwendige Basis möchten wir nicht in Frage stellen oder stören (...).
Sehr geehrter Herr Dr. Hofer! Ich bin überzeugt, dass Sie bei ihrem enormen sozialen Hintergrund und Engagement Verständnis dafür haben werden, dass ich einem Sicherheitsorgan der Fa. S. bei der Bewältigung ihrer verantwortungsvollen Aufgabe nicht eine außenstehende Person beigeben kann, ohne Misstrauen und Verunsicherung zu erzeugen. Es tut mir leid, Ihnen keine entsprechende Nachricht zukommen lassen zu können und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg und Schaffenskraft in Ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit.
Mit freundlichen Grüßen
Franz Schabhüttl



Zuständig ist dafür Franz Schabhüttl, ehemaliger Polizist und heute Lagerleiter von Traiskirchen. Der Beamte war schnell kontaktiert, seine Antwort eindeutig: er versagte den Zutritt. (Die besorgte Begründung ist als Email-Auszug im Kasten nachzulesen.) Hatte der oberste Wächter Traiskirchens Bedenken wegen zuviel ”Schnüffelei”? Oder wegen des Vergewaltigungsprozesses im Jänner vor vier Jahren? Der Security-Mann wurde damals freigesprochen.

Militärisches Sperrgebiet?

Vielleicht ließ sich ein Gespräch mit den Sicherheitsleuten in Traiskirchen selbst anbahnen? Vor zwei Jahren war es trotz Betretungsverbots noch möglich, an zwei Stellen über die Mauer zu springen. Mittlerweile hat Traiskirchen alle Attribute einer Hochsicherheitszone. Jeder Meter wird mit Kameras überwacht, zusätzlich patrouillieren Wachorgane mit Hunden entlang des weitläufigen Areals. Selbst das Fotografieren von außerhalb des Geländes ist verboten. Gleich zweimal drohten Lager-Bewacher dem Fotografen laut und überaus heftig. Eine Erinnerung an Besuche hinter dem Eisernen Vorhang kam auf, wo militärische Objekte unter Fotografierverbot gestellt waren und ein Zuwiderhandeln dazu führen konnte, dass das ”feindliche Fotomaterial” konfisziert wurde. Das Klima des Lagers leidet darunter. Nicht wenige der interviewten Flüchtlinge gaben als Ersteindruck von Österreich an: ”Wir leben hier in einem offenen Gefängnis.” Der Sicherheitsaufwand signalisiere: ”Wir sind hier nicht willkommen, wir werden als Gefahr gesehen, der Kontakt zur österreichischen Bevölkerung ist nicht erwünscht.” Wenn die Neuankömmlinge das Lager für einen kurzen Spaziergang Richtung Bahnhof verlassen, passieren sie zunächst die örtliche Polizeistation. Später treffen sie auf Uniformierte, die vor der Volksschule postiert sind. Überraschend viele Eltern warten dort zum Unterrichtsschluss vor den Toren der Volksschule, um ihre Schützlinge sicher nach Hause zu begleiten. An dem ohnehin mit Sicherheitsorganen besetzten Bahnhof schließlich sind gleich mehrere Überwachungskameras installiert.

Es stellt sich die Frage: Wozu dieser teure Sicherheitsaufwand? Warum ist es nicht gestattet, die BewohnerInnen im Lager zu besuchen? Jedes Gefängnis kennt Besuchsregelungen - nur für AsylwerberInnen in einem Erstaufnahmezentrum sollte es absolut keinen Zutritt geben?

Lage entspannt, Ordnung strikt

Dabei könnten die Beschäftigten der Bewachungsfirma jetzt weit entspannter Auskunft über ihren Arbeitsalltag geben, als noch vor zwei Jahren. Gegenüber den ehemals rund 1.500 AsylwerberInnen, die sich dort monatelang auf engstem Raum aufgehalten hatten, sind nunmehr gerade einmal 700 Bewohnerinnen und Bewohner da. Ernste Konflikte sind kein großes Thema mehr. Zusätzlich hat sich die Aufenthaltsdauer drastisch verkürzt. Nach der positiven Abklärung wird den Neuankömmlingen nach wenigen Wochen eine Unterkunft in einem der Bundesländer zugewiesen, wo sie in die Grundversorgung des jeweiligen Bundeslandes übernommen werden.

Das Wachpersonal besetzt rund um die Uhr die Portierloge. Ein Kartenscanner registriert jede Person, die ein- und ausgeht. Das Betreten und Verlassen des Lagers ist den BewohnerInnen zwischen 20 und 7 Uhr früh nur mit Sondergenehmigung erlaubt. Einkaufstaschen werden kontrolliert, Alkoholika konfisziert, ebenso Lebensmittel, die gekocht werden müssen. Dafür gibt es die Großküche. Sicherheitskräfte entdecken manchmal bei ihren Streifzügen durch das Gelände Flaschen mit Alkohol. Sie wurden durch den Zaun geschoben, um der Kontrolle beim Tor zu entgehen. ”Die Hunde erkennen die Sachen am Geruch, dadurch werden sie schnell gefunden”, erzählt ein Bewohner. Spannungen gibt es nach wie vor zwischen verschiedenen Staatsangehörigen und Religionen. ”80 bis 90 Prozent der Bewohner sind Muslime”, erzählt ein christlicher Flüchtling, er bleibe auf Distanz.

Wie die Security Konflikte schlichtet, soll also Geheimnis bleiben. Selbst diplomierte SozialarbeiterInnen stoßen bei der Betreuung von Flüchtlingen leicht an die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Wie geht es erst Wachorganen ohne entsprechende Ausbildung? Ist ein Gespräch mit ihnen deshalb ”Verschlussakte”?
(leicht gek.)

Quelle: http://moment.sosmitmensch.at/stories/1746/

Mitarbeit: Andreas Bachmann. Aus: dem eben erschienen “MOMENT” Nr.10, hg. von SOS Mitmensch. Abos für 40 Euro 4 Ausgaben zu bestellen bei: , Postfach 220, A-1070 Wien, http://www.moment.at. MOMENT ist eine Partnerpublikation der DAZ.
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